1933-1945

Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma fasst diese Zeit folgendermaßen zusammen:

„Auf der Grundlage der nationalsozialistischen Rassenideologie wurden Sinti und Roma schrittweise entrechtet, ihrer Lebensgrundlage beraubt und schließlich in die Vernichtungslager deportiert. Die letzten Sinti- und Roma-Familien, die bis dahin noch nicht in KZs inhaftiert wurden, werden im Zuge des Auschwitzerlasses vom 16. Dezember 1942 deportiert.“ Schätzungen zufolge wurden während des Nationalsozialismus in Europa bis zu 500.000 Sinti und Roma vernichtet. (vgl.: BIG, S4)
Höllenreiners um 1941
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„1933 erhielt die seit Jahrzehnten dominante behördliche Perspektive, „Zigeuner“ zum Verschwinden zu bringen, eine neue Dimension.“ (Vgl. NS-Dokuz 2016, S 104)

Gesetze und Verordnungen gehen mehr über zu präventiven Maßnahmen. Die sog. „Zigeunerermittler“ werden eingeführt. (Vgl. Diener, 2021,  S67ff)

 

„Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 nahmen die reichsweiten Sonderbestimmungen gegenüber als „Zigeuner“ klassifizierten Menschen weiter zu. Die Beziehungen zu anderen Bevölkerungsgruppen sollten aufgehoben werden: Sinti und Roma unterlagen vermehrt Berufs- und Eheverboten. Die Behörden zogen ihre Pässe ein und verteilten „Zigeunerausweise“. In einigen Fällen mussten Kinder aus Sinti- und Roma-Familien Hilfsschulen besuchen, da ihnen eine ererbte „Minderwertigkeit“ und fehlender Intellekt unterstellt wurden. Die stetig zunehmende Diskriminierung schränkte alle Lebensbereiche ein.

Ab Mitte der 1930er Jahre stieg die Zahl der Sinti und Roma in München durch Zuzug einiger Familien etwas an. Sie kamen vor allem aus Thüringen, Franken, Baden, Württemberg und Österreich. Weitere Familien lebten im Münchner Umkreis sowie in ober- und niederbayerischen Kleinstädten.

Die Lebensverhältnisse waren sehr unterschiedlich und hingen von den jeweils ausgeübten Berufen ab. Viele waren als Fuhrunternehmer, Korbflechter und Händler in und um München tätig. Einige arbeiteten hauptberuflich als Musiker und Instrumentenbauer. Die Familien lebten in eigenen Häusern, angemieteten Wohnungen oder Wohnwagen, in München vor allem im Südosten der Stadt.“ (Vgl. NS-Dokuz 2016, S 116)

Im September 1935 wurden das Blutschutzgesetz und das Reichsbürgergesetz beschlossen. Nach dem Reichsbürgergesetz waren Juden und Zigeuner als „Menschen artfremden Blutes“ von der Reichsbürgerschaft ausgeschlossen.(Vgl. Diener, 2021, S73f) Das „Blutschutzgesetz“, „Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der Ehre“ über Eheverbote war zunächst auf Juden begrenzt. Aber bereits im gleichen Monat wurde es auf Zigeuner ausgeweitet. (Vgl. Diener, 2021, S74) „Die in der Zigeunerfrage gesammelten amtlichen Erfahrungen haben gezeigt, dass Zigeunerblut die Reinerhaltung des deutschen Blutes in hohem Maße gefährdet“
Mit der Neufassung des Wehrgesetzes von 1936 war nur die nichtjüdische und nicht mehr die „arische Abstammung“ Voraussetzung für den Wehrdienst. Dies bedeutete, dass „Zigeuner und Zigeunermischlinge“ nach 1936, anders als Juden nicht von der Wehrpflicht ausgeschlossen waren. (Vgl. Diener, 2021, S. 75)

Das Wehrgesetz des Deutschen Volkes , Mai 1935, Bundesarchiv Koblenz, Plak 003-001-022-T1
Vor allem in den ersten Kriegsjahren kämpften so auch Sinti und Roma in der Wehrmacht. Der Kriegsdienst gab ihnen gesellschaftlichen Rückhalt und soziales Prestige. Die eingezogenen Männer berichteten oft mit Stolz über ihren Dienst an der Waffe. Die Zugehörigkeit zur Wehrmacht schützte zudem die engere Familie vor weiteren Verfolgungsmaßnahmen.“ (Vgl. NS-Dokuz 2016, S 138)

Zum Beispiel Josef Höllenreiner. „Ich war in der 3. Klasse. Ich hab auch viele, viele, Freunde am Anfang gehabt. Und Papa war beim Militär und war bei den Fliegern angestellt, bei den Piloten. Und ich war so stolz. Wenn er kam, dann hat er auch Fotos mitgebracht. Ich hab dann die Fotos alle meine Schulfreunde gezeigt, was er ist, wie er ist Und ich war richtig stolz drauf.“ Zitat von Hugo Höllenreiner (1933.2015), Sohn von Josef und Sofie Höllenreiner, Zeitzeugengespräch, 2012 HdBG . (Vgl. NS-Dokuz 2016, S. 140)

Der Münchner Sinto Josef Höllenreiner, hier mit seiner Frau Sofie, 1941 Privatbesitz Familie Hugo Höllenreiner
Im September 1935 wurden das Blutschutzgesetz und das Reichsbürgergesetz beschlossen. Nach dem Reichsbürgergesetz waren Juden und Zigeuner als „Menschen artfremden Blutes“ von der Reichsbürgerschaft ausgeschlossen.(Vgl. Diener, 2021, S73f) Das „Blutschutzgesetz“, „Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der Ehre“ über Eheverbote war zunächst auf Juden begrenzt. Aber bereits im gleichen Monat wurde es auf Zigeuner ausgeweitet. (Vgl. Diener, 2021, S74) „Die in der Zigeunerfrage gesammelten amtlichen Erfahrungen haben gezeigt, dass Zigeunerblut die Reinerhaltung des deutschen Blutes in hohem Maße gefährdet“
Mit der Neufassung des Wehrgesetzes von 1936 war nur die nichtjüdische und nicht mehr die „arische Abstammung“ Voraussetzung für den Wehrdienst. Dies bedeutete, dass „Zigeuner und Zigeunermischlinge“ nach 1936, anders als Juden nicht von der Wehrpflicht ausgeschlossen waren. (Vgl. Diener, 2021, S. 75)

Das Wehrgesetz des Deutschen Volkes , Mai 1935, Bundesarchiv Koblenz, Plak 003-001-022-T1
Vor allem in den ersten Kriegsjahren kämpften so auch Sinti und Roma in der Wehrmacht. Der Kriegsdienst gab ihnen gesellschaftlichen Rückhalt und soziales Prestige. Die eingezogenen Männer berichteten oft mit Stolz über ihren Dienst an der Waffe. Die Zugehörigkeit zur Wehrmacht schützte zudem die engere Familie vor weiteren Verfolgungsmaßnahmen.“ (Vgl. NS-Dokuz 2016, S 138)

Zum Beispiel Josef Höllenreiner. „Ich war in der 3. Klasse. Ich hab auch viele, viele, Freunde am Anfang gehabt. Und Papa war beim Militär und war bei den Fliegern angestellt, bei den Piloten. Und ich war so stolz. Wenn er kam, dann hat er auch Fotos mitgebracht. Ich hab dann die Fotos alle meine Schulfreunde gezeigt, was er ist, wie er ist Und ich war richtig stolz drauf.“ Zitat von Hugo Höllenreiner (1933.2015), Sohn von Josef und Sofie Höllenreiner, Zeitzeugengespräch, 2012 HdBG . (Vgl. NS-Dokuz 2016, S. 140)

Der Münchner Sinto Josef Höllenreiner, hier mit seiner Frau Sofie, 1941 Privatbesitz Familie Hugo Höllenreiner

1936

Schautafel der „Rassenhygienischen Forschungsstelle“ zur „Einteilungder Zigeuner nach rassischen Gesichtspunkten“, um 1940

Runderlass vom Juni 1936, um die Polizeiarbeit im ganzen Reich zu erleichtern und den Versuch, Z sesshaft zu machen. „“Die unstet im Lande herumziehenden, hauptsächlich von Diebstahl, Betrug und Betteln lebenden Zigeuner bilden, insbesondere für das platte Land, noch immer eine Plage“ Es sei nämlich sehr schwer, die „Zigeuner“ an ein geordnetes und gesittetes, auf ehrlichem Erwerb beruhendes Leben zu gewöhnen. Ferner erging der Aufruf, Wandergewerbescheine nur sehr zögerlich auszustellen und die Schulpflicht der „Zigeunerkinder“ im Auge zu behalten bzw. zu überwachen, ob diese verwahrlost seien. (Vgl. Diener, 2021, S76)

Grunderlasse im Jahr 1937 führten abermals zu strengeren Ausübungen gegen Z., da dadurch den unteren Hierarchieebenen ein Machtzuwachs gewährt wurde. „Verheerende Auswirkung für „Zigeuner“ hatte der Teil des neuen Erlasses, der die Einweisung einer Person (…) die durch ihr asoziales Verhalten die Allgemeinheit gefährdet, in „geschlossene Besserungs- und Arbeitslager“ rechtfertigte.“ „Es gab keine genaue Definition, was unter „asozial“ zu verstehen war, was dem einzelnen Beamten viel Entscheidungsraum bot, zumal „Zigeuner und nach Zigeunerart umherziehende Personen“ im NS Regime pauschal als „asozial“ gesehen wurden.

„Das gefährliche an dem neuen Erlasse bestand in der Zuteilung der Entscheidungskompetenz an die Polizeibeamten, die Beurteilungen über Motive treffen zu dürfen, was vorher nur Richtern vorbehalten war.“ (Vgl. Diener, 2021, S79) Stetiger Machtzuwachs der unteren Hierarchieebenen „alle Personen (…) die nach ihrem Aussehen, ihren Sitten und Gebräuchen als Zigeuner oder Zigeunermischlinge angesehen werden, sowie alle nach Zigeunerart umherziehenden Personen“ zu melden oder eben nicht. (Vgl. Diener, 2021, S118)

1938

Verschleppung ins KZ Dachau

Ab 1938 wurden Sinti und Roma in größerer Zahl in das KZ Dachau verschleppt. Dieses wurde am 22.3.1933 als erstes NS-Konzentrationslager in Betrieb genommen. Bis 1945 kommen dort über 40.000 Menschen ums Leben. (vgl. RIAS) Hier standen Sinti und Roma in der Hierarchie der Häftlingsgesellschaft oft sehr weit unten und wurden beispielsweise besonders harten Arbeitskommandos zugeteilt. Zunächst allerdings nur wenige aus München; in großer Zahl betroffen waren hingegen Sinti und Roma aus dem Burgenland nach dem Anschluss Österreichs (vgl. KZ Gedenkstätte Dachau)

1938

"Rassenhygienische Forschungsstelle"

Im Nationalsozialismus wurde die Zigeunerzentrale schrittweise aufgrund des Runderlasses zur Neuordnung der Reichskriminalpolizei 1936 zur „Reichszentrale zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens“ umgestaltet und und 1938 nach Berlin verlagert. Die Reichszentrale war Teil des neu gegründeten Reichskriminalpolizeiamts (RKPA), das wiederum das Amt V des Reichssicherheitshauptamts (RSHA) bildete. Zusammen mit der Rassenhygienischen Forschungsstelle (RHF) organisierte die Reichszentrale über den Erkennungsdienst und über Einzelauskünfte hinaus auch die Erfassung und die Deportationen, die in den Völkermord an den europäischen Sinti und Roma mündeten.

So vernetzt sich die (Kriminal-)Polizei zunehmend mit der Rassenhygienischen Forschungsstelle und setzt dieses „rassische Denken“ um, ohne das die Verfolgung in dem bekannten Ausmaß gar nicht möglich gewesen wäre (Vgl. Diener, 2021, S124f)

Aber was genau ist diese Rassenhygienische Forschungsstelle (RHF) unter der Leitung von Prof. Dr. Robert Ritter?

Prof. Ritter Mitte 1937: „Es wird gelingen, (den größten deutschen Zigeunerstamm) in allen seinen Verzweigungen über acht bis 10 Generationen zu erfassen und zu erforschen. Es wird sich zeigen lassen, welche politischen, gesetzlichen, polizeilichen, wirtschaftlichen Maßnahmen sich im Laufe der letzten zwei Jahrhunderte bewährt haben und welche Maßnahmen für den deutschen Volkskörper von Nachteil gewesen sind. Diese Untersuchungen über Zigeuner und Zigeunermischlinge werden gesicherte Unterlagen für die dringend notwendige Zigeunergesetzgebung liefern“. (Vgl. Diener, 2021, S129)
Ritter sah seine Arbeit in direktem Bezug zur gesellschaftlichen Praxis, weshalb ihm eine Zusammenarbeit mit der Polizei wichtig war. Es gab regen Austausch und Bereitstellung von Kriminalakten.(Vgl. Diener, 2021, S129)

1938

Ideologie statt Wissenschaft

„Das Neue und Richtungsweisende aus seiner Forschung war “: „dass die Zigeuner einer artfremden Rasse angehören und dass durch die Mischung von Zigeunern und (…) Asozialen in der Regel ein höchst minderwertiges Lumpenproletariat erzeugt wird“ Zitat Robert Ritter. (Vgl. Diener, 2021, S130)

Am 1. August 1938 schrieb Ritter im Reichsgesundheitsblatt, dass es „unsere Einsicht in die lebendigen Kräfte der Rasse ignorieren“ hieße, „wollten wir uns auch heute noch dem Wahn hingeben, die Zigeuner uns angleichen, zivilisieren und wirklich sesshaft machen zu können“ Zitat Prof. Ritter. (Vgl. Diener, 2021, S131)

Der Rassenforscher Prof. Ritter hatte 1940 konkrete Vorstellungen, wie eine solche Lösung aussehen sollte: [Zitat]: „Die Zigeunerfrage kann nur dann als gelöst angesehen werden, wenn das Gros der asozialen und nichtsnutzen Zigeuner-Mischlinge in großen Wanderarbeitslagern gesammelt und zur Arbeit angehalten, und wenn die weitere Fortpflanzung dieser Mischlingspopulation endgültig unterbunden wird. Nur
dann werden die kommenden Geschlechter des deutschen Volkes von dieser Last wirklich befreit sein.“ (vgl J. Schröder S6)

Die Arbeit der Rassenhygienischen Forschungsstelle wurde nicht ideologisch, sondern wissenschaftlich begründet. „Kriminalität ist nach Ritter vererbbar“.

So ist der „Beitrag der Rassenhygienischen Forschungsstelle am Mord von Sinti und Roma mehr in der Ideologischen Wegbereitung von Zwangsmaßnahmen gegen die Zigeuner als in der konkreten Selektion der Opfer zu sehen. Eine ganze Menge von „Zigeunern“ wurde wohl deportiert, ohne jemals mit den Mitarbeitern der „Rassenhygienischen Forschungsstelle“ in Kontakt gekommen zu sein. (Vgl. Diener, 2021, S144)

Bis zu ihrer Verlegung nach Berlin im Oktober 1938 hatte die Münchner
„Zigeunerpolizeistelle“ Akten zu mehr als 33 000 Menschen angelegt, die als „Zigeuner, Mischlinge oder nach Zigeunerart Umherziehende“ erfasst worden waren. (Pressemitteilung Zentralrat Deutscher Sinti und Roma vom 14.12.2021)

Rassenhygienische Forschungsstelle Dr. Robert Ritter

Bundesarchiv Koblenz R 165 Bild-244-71

Rassenhygienische Forschungsstelle, Bestimmung der Augenfarbe
Bundesarchiv Koblenz R 165 Bild-244-64

Rassenhygienische Forschungsstelle Dr. Robert Ritter
Bundesarchiv Koblenz R 165 Bild-244-70

Zum Beispiel Hulda Steinbach:

Die 1924 geborene Arbeiterin Hulda Steinbach lebte seit Ende der 1930er Jahre in München. Wie auch ihre Eltern Venatius und Amalie Steinbach wurde sie als „Rom-Zigeuner“ klassifiziert. Mutter und Tochter galten als Staatenlose. Auf dem von der „Rassenhygienischen Forschungsstelle“ angelegten Messblatt für die damals 15-jährige Hulda Steinbach ist handschriftlich „seit 4 Jahren in München“ vermerkt.

Im März 1943 wurde die Familie aus München in das „Zigeunerlager“ Auschwitz-Birkenau deportiert. Vater Venatius Steinbach starb wenig später, Hulda und ihre Mutter Amalie verschleppte die SS 1944 über das KZ Ravensbrück in ein Außenlager des KZ Flossenbürg zur Zwangsarbeit. Beide überlebten und wohnten nach dem Krieg wieder einige Jahre in München. (Vgl. NS-Dokuz 2016, S 128)

Erkennungsdienstliches Foto von Hulda Steinbach, aufgenommen in München 1939

Bundesarchiv Berlin, R 165, 67

Ab 1938

Zunahme der Repressionen

In Bayern erfolgte der Beschluss, ab Mai 1939 „die Erfassung aller sesshaften und nicht sesshaften Zigeuner sowie aller nach Zigeunerart umherziehenden Personen (…) nunmehr in die Wege zu leiten“ (Vgl. Diener, 2021,  S86)

 

Ab März 1941 dürfen Sinti und Roma keine Schulen mehr besuchen (kleine Unterschiede für ausländische) (Vgl. Diener, 2021,  S89 und S116)

 

1941/42 Ausschluss aus der Wehrmacht „wegen mangelnder Eignung“ (Vgl. Diener, 2021,  S90)

1941

Rassistische Behandlung

„Am Anfang war ja alles ganz normal. Wir haben unsere Freunde gehabt, es war alles ganz normal. Raus aus der Schule, dann rüber ins Sportheim und dort haben wir dann Fußball gespielt. Ich war halt überall mittendrin. Aber irgendwie kam´s dann, wie der Papa entlassen worden ist, hat es sich dann rumgesprochen in ganz Giesing, dass der Papa nicht mehr seinen Militäranzug anhat, sondern normal. Und: `Deinen Papa haben sie ja rausgeschmissen vom Militär`(…) Wir haben schon gemerkt, dass wir irgendwie diskriminiert werden. Auch von den eigenen Freunden (…). Die haben sich alle dann zurückgezogen. Und das hat mir richtig wehgetan.“ Hugo Höllenreiner (1933-2015), Zeitzeugengespräch, 2012 HdBG (Vgl. NS-Dokuz 2016, S 142)

1942

Auschwitz-Erlass

Auschwitz-Erlass  vom 16. Dezember 1942. Der Reichsführer SS Heinrich Himmler  ordnet die Deportation der innerhalb des Deutschen Reichs lebenden Sinti und Roma an, um sie als Minderheit – anders als bei vorausgegangenen individuellen oder kollektiven Deportationen – komplett zu vernichten.

13. März 1943

Deporation aus München

Am 8. März 1943 werden 136 Menschen aufs Münchner Polizeipräsidium in der Ettstrasse verbracht, inhaftiert  und dann am 13. März zum Güterbahnhof Milbertshofen gebracht und in Viehwaggons ins „Zigeunerlager“ in Auschwitz-Birkenau deportiert. Es ist ein Großteil der etwa 200 Sinti und Roma, die damals in München leben. Die Hälfte der Deportierten sind Kinder und Jugendliche. (vgl. SZ)

Ausschluss aus der Wehrmacht
RH 1164 Militärarchiv

Vermerk des stellvertretenden Leiters der München Kriminalpolizeistelle 1941
Staatsarchiv München, Polizeidirektion 7033

Auschwitz-Erlass

Foto von der Ettstraße 1935
Stadtarchiv München DE-1992-FS-STB-7644

16. Mai 1944

Foto Auschwitz-Birkenau

(State Museum Auschwitz-Birkenau nr neg 20995-508)

16.Mai 1944, die Insassen des „Zigeunerlagers“ in Auschwitz leisten erfolgreich Widerstand gegen die geplante Vernichtung in den Gaskammern. Unter ihnen sind Mitglieder der Münchner Sinti-Familie Höllenreiner. Sie wurden von Tadeusz Joachimowski vorgewarnt, einem polnischen politischen Häftling der die sogenannte Häftlingsschreibstube im „Zigeunerlager“ leitete. Mit selbst gefertigten Waffen verbarrikadierten sie sich in den Baracken.(Vgl. NS-Dokuz 2016, S 180)

„Mit der Kraft seines Lebens schrie Dada (Josef H.): Kommt ihr rein! Wir kommen nicht raus! Wenn ihr was wollt, müsst ihr reinkommen. Holt uns raus! (…) Im Block sprangen andere Männer von den Buchsen und gingen langsam nach vorn zu Dada, Onkel Babtist (Babtist H.) und den beiden anderen. (…) Ein Motorrad fuhr über die Lagerstraße und hielt vor dem Block. Wieder sprachen die SS-Männer miteinander. Dann Schritte, die Tür des Lastwagens wurde geöffnet und zugeschlagen. Der Motor angelassen. Das Motorrad fuhr weg, der Lastwagen hinterher, aus dem Lager hinaus. Und kam nicht zurück. Ein Jubel brach los, im Block lachten und weinten alle vor Freude und Erleichterung. (…) Viele kamen von den Buchsen runter und sagten: Ich hätte auch gekämpft.“ (Erinnerungen von Hugo Höllenreiner, zitiert nach Anja Tuckermann, in NS Dokuz S.180)

Tadeusz Joachimowski schreibt in seinen Erinnerungen: „Gegen 19:00 Uhr hörte ich den Gong, der die Lagersperre ankündigte. Vor dem Zigeunerlager hielten Autos, aus denen eine Gruppe von ca. 50-60 SS-Männern mit Maschinengewehren ausstieg. Die SS-Männer umstellten die Baracken, in denen die Zigeuner untergebracht waren. Einige von ihnen betraten eine Wohnbaracke mit dem Gebrüll „los, los“. In den Baracken herrschte völlige Stille. Die darin versammelten Zigeuner warteten, mit Messern, Schaufeln, Eisen, Brecheisen und Steinen bewaffnet, darauf, was jetzt kommen würde. Sie verließen ihre Baracken nicht. Die SS-Männer waren verdutzt. Sie gingen wieder raus. Nach einer kurzen Absprache begaben sie sich in die Blockführerstube zum Kommandanten der Aktion. Kurz darauf hörte ich einen Pfiff. Die SS-Männer, die die Baracken umstellt hatten, verließen ihre Posten, stiegen in die Autos und fuhren davon.“ (Archiv des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau (APMA-B), Bestand Oświadczenia [Berichte], Bd. 13, 56-80. Übersetzung aus dem Polnischen. )

Daraufhin ändere die KZ Kommandantur ihre Strategie. Um den Widerstand zu schwächen, wurden einige Tausend Häftlinge in andere KZ transportiert und das Lager in der Nacht vom 2. auf den 3. August durch die Ermordung von 3000 Sinti und Roma in den Gaskammern, aufgelöst. Der Aufstand vom 16. Mai schien aussichtslos und war doch ein Zeichen beispiellosen Mutes zum Widerstand. Die Aufständischen holten sich selbst und anderen ein Teil ihres Lebens und ihrer Menschenwürde zurück.

Heimliche Aufnahme eines Häftlings beim Verbrennen von Leichen am Krematorium V in Auschwitz-Birkenau 1944

(State Museum Auschwitz-Birkenau nr neg 280)

Die Aufzeichnungen von Tadeusz Joachimowski geben noch einen weiteren unverfälschten Blick in das Konzentrationslager:

„Wir fanden heraus, dass sich unter den Zigeunern auch Wehrmachtssoldaten befanden, die gezielt in den Urlaub geschickt worden waren, auch von der vordersten Front, damit sie nach der Ankunft in der Heimat sofort festgenommen und im Lager inhaftiert werden konnten, wo sie ihren Verwandten begegneten, die zuvor bereits verschleppt worden waren. Viele von ihnen waren für Mut und Tapferkeit im Ersten und im Zweiten Weltkrieg ausgezeichnet worden (…). Sie prahlten mit diesen Auszeichnungen, in dem Glauben, dadurch besser behandelt zu werden. Ihren Aussagen war zu entnehmen, dass sie irrtümlicherweise verhaftet worden waren und innerhalb der nächsten Tage entlassen werden sollten. Entsprechend verhielten sie sich auch den anderen Zigeunern gegenüber, insbesondere denen anderer Nationalitäten, die im Lager die meisten Funktionen innehatten. Sie weigerten sich, jegliche Arbeiten auszuführen, mit denen die Funktionshäftlinge sie beauftragten. Erst nach einiger Zeit begannen sie, ihre hoffnungslose Lage zu verstehen und ihre Einstellung zu ändern (…).“

„In der Schreibstube arbeitete unter anderem auch (…) die zwanzigjährige Zigeunerin Hilli Weiß, die sehr scharfsinnig und intelligent war. Ich wollte wissen, welche Schlüsse Hilli aus ihrem fast zweimonatigen Aufenthalt im Lager gezogen hatte. (…) Sie war noch sehr optimistisch und blickte der Zukunft hoffnungsvoll entgegen. Sie erzählte mir, dass sie aus Berlin kam, dort geboren und zur Schule gegangen war und bis zu ihrer Verhaftung gearbeitet hatte. Sie fühlte sich als Deutsche und war überzeugt, dass sie irrtümlich verhaftet worden waren – auch ihre Eltern und ihre Schwester wurden in das Lager verschleppt. Vor der Verhaftung hatten sie alle in einem Rüstungsbetrieb gearbeitet. Ihr Vater war sogar ein geschätzter Schlosserfachmann und demnach sehr wichtig für die Kriegswirtschaft.“ (Archiv des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau (APMA-B), Bestand Wspom- nienia [Memoiren], Bd. 2003, 50-65. Übersetzung aus dem Polnischen.)

Aufzeichnungen von Tadeusz Joachimowski

(State Museum Auschwitz-Birkenau)

Archiv Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma Creative-Commens-Lizenz vom Lizenztyp: CC-BY-NC-ND (Attribution – NonCommercial – NoDerivatives, 4.0 International)

1943

Kein Schutz der Kirche

Die katholische Kirchenführung wusste um die Tatsache des Völkermords an den Sinti und Roma. Am 5. April 1943 versuchte der Sinto Oskar Rose, der unter falschem Namen in München lebte, unter Lebensgefahr bei Kardinal Faulhaber in dessen Münchener Residenz vorzusprechen. Faulhaber weigerte sich, ihn zu empfangen. In seinem privaten Tagebuch hielt er fest: „Bei Sekretär ein Zigeuner, namens Adler, katholisch – Die 14.000 Zigeuner im Reichsgebiet sollen in ein Lager gesammelt und sterilisiert werden, die Kirche soll einschreiten. Will durchaus zu mir. – Nein, kann keine Hilfe in Aussicht stellen.“ (vgl. www.sintiundroma.org)

Zum Beispiel Josef Maria Schneck:

„Josef Maria Schneck verhungert, vom Steine schleppen entkräftet, im Januar des Jahres 1944, da ist er gerade 13 Jahre alt. Fast ein Jahr lang hatten ihn die Nationalsozialisten mit seinen vier Geschwistern, seinen Eltern und seiner kleinen Nichte im Lager Auschwitz-Birkenau gequält. Die Familie musste schwer arbeiten und in Baracken schlafen, die gebaut waren wie Pferdeställe. Die wenigen Toiletten teilten sich bis zu 1000 Menschen pro Gebäude. Zu essen gab es lediglich dünne Suppen. Und irgendwann konnte Josef Maria nicht mehr.

Die Schnecks sind eine katholische Familie aus Baden gewesen. Der Familienvater hatte mit Antiquitäten und Musikinstrumenten gehandelt. 1937 zog die Familie nach München.“ (vgl. SZ vom 21.03.2019)

Zum Beispiel Elisabeth Guttenberger:

06. Februar 1926 – Elisabeth Guttenberger stammt aus einer Stuttgarter Sinti-Familie. Gemeinsam mit ihren drei Geschwistern verbringt sie eine behütete Kindheit. Der Vater handelt mit Streichinstrumenten und Antiquitäten, 1936 zieht die Familie nach München. Die „Nürnberger Rassengesetze“ verändern auch das Schicksal der Familie Guttenberger entscheidend. Obwohl Elisabeth Guttenberger eine überdurchschnittliche Schülerin ist, darf sie im Anschluss an die Volksschule keine weiterführende Schule besuchen. Auch eine Lehrstelle in einer Konditorei muss sie nach kurzer Zeit wieder aufgeben. Anschließend wird sie zur Zwangsarbeit in einer Munitionsfabrik verpflichtet. Elisabeth Guttenberger wird im März 1943 zusammen mit ihrer Familie in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Nach einem halben Jahr kommt sie in die Häftlingsschreibstube. Dort muss sie das „Hauptbuch“, ein Register für sämtliche in das Lager eingelieferte Männer des „Zigeunerlagers“, führen. Diese Bücher werden später zum Zeugnis des tausendfachen Mordes an den Sinti und Roma. Elisabeth Guttenberger kann das Kriegsende überleben. Mehr als 30 ihrer Verwandten werden im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau ermordet. (vgl. GDW Berlin)

Zum Beispiel Adelheid Bamberger:

Bamberger, Adelheid (11.3.1915 Berlin – vermutlich März/April 1945 im KZ Bergen-Belsen)
Adelheid Bamberger stammte aus einem kinderreichen Elternhaus. Sie war Arbeiterin und lebte mit ihrer Familie sowie den Kindern Sylvia und Adolf in München. Ein Teil der Verwandten wurde von der SS bereits 1941/42 in verschiedenen Konzentrationslagern festgehalten. Ihr Bruder Wilhelm Bamberger sowie ihr Schwager kamen dort 1942 gewaltsam ums Leben. Der Bruder Hans Bamberger musste jahrelang Zwangsarbeit im KZ Dachau verrichten.

Im März 1943 wurde Adelheid Bamberger zusammen mit ihren Kindern und weiteren Angehörigen ins „Zigeunerlager“ Auschwitz-Birkenau deportiert. Sowohl die Transport- als auch die Lagerbedingungen waren in jeder Hinsicht unmenschlich. Nur kurze Zeit nach der Ankunft im Lager starben die noch nicht einjährige Tochter Sylvia und der zweijährige Sohn Adolf vermutlich an Folgen der unzureichenden Versorgung. Im Juli 1943 kam auch ihr Vater Robert Bamberger im KZ Auschwitz-Birkenau ums Leben. Etwa 19.000 Sinti und Roma wurden in Auschwitz-Birkenau ermordet oder starben an den Folgen von Hunger, Krankheit, Misshandlungen und Zwangsarbeit.

Adelheid Bamberger wurde im April 1944 ins KZ Ravensbrück transportiert und wenig später nacheinander in verschiedene KZ-Außenlager zur Zwangsarbeit gebracht. In den Außenlagern Schlieben, Altenburg und Taucha, die ab Sommer 1944 zum KZ Buchenwald gehörten, musste sie für die Rüstungsindustrie arbeiten. In Altenburg wurden Panzerfäuste und Granatmunition hergestellt. Insbesondere aus rassistischen Motiven verfolgte Häftlinge wurden für die extrem gesundheitsgefährdende Arbeit der Zubereitung und des Abfüllens von Sprengstoff herangezogen. Taucha war das Außenlager des KZ-Komplexes Buchenwald mit den meisten Häftlingsfrauen, die als „Zigeuner“ verfolgt wurden. In Zwölf-Stundenschichten mussten die Häftlinge Schwerstarbeit leisten.

Zusammen mit ihrer älteren Schwester Anna Reinhardt und 148 weiteren schwerkranken Häftlingen wurde Adelheid Bamberger am 1.3.1945 ins KZ Bergen-Belsen verschleppt. Dort verliert sich ihre Spur. Vermutlich kamen sie und ihre Schwester Anna Reinhardt dort kurz vor der Befreiung gewaltsam ums Leben. (Quelle NS Dokuzentrum)

Zum Beispiel Eugen Konrad Lang:

Eugen Lang lebte ab Anfang der 1940er Jahre in München. Seine Familie wohnte u.a. in Esslingen. Der gelernte Schneider arbeitete als Hotelangestellter. Er litt schon vor der Deportation unter der Verfolgung durch die Nationalsozialisten, so wurde er überwacht und häufig von der Polizei kontrolliert. Seine Verlobte Theresia, die als „Arierin“ galt, durfte er aufgrund seiner Herkunft nicht heiraten. Im März 1943 wurde er unter katastrophalen Bedingungen in das „Zigeunerlager“ Auschwitz-Birkenau deportiert. Zwei seiner Brüder hatten einer „freiwilligen“ Sterilisation zustimmen müssen, wodurch ihnen die Deportation erspart blieb.

Im Mai 1944 wurde Eugen Lang als „arbeitsfähig“ eingestuft und kam ins KZ Flossenbürg zum Zwangsarbeitseinsatz, u.a. im Außenlager Hersbruck, wo die Häftlinge für die Untertageproduktion von BMW ein Stollenwerk bauen mußten. Die Arbeit war extrem schwer, zudem litten die Häftlinge unter Hunger, Kälte und der Brutalität der Wachmannschaften. Im Laufe nicht einmal eines Jahres starben im Außenlager Hersbruck etwa 4.000 bis 4.500 Häftlinge.

Als sich die Front näherte, wurden die Häftlinge im April 1945 in das KZ Dachau transportiert. Kurz nach der Ankunft starb Eugen Lang, nur wenige Tage vor der Befreiung des Lagers durch US-Einheiten.

Seine Verlobte musste vor allem aufgrund der fehlenden Heiratsurkunde lange um eine Entschädigung kämpfen. (Quelle NS Dokuzentrum)

Zum Beispiel Alma Höllenreiner:

Höllenreiner, Alma (21.3.1902 Scheeßel – vermutlich Sommer 1943 KZ Auschwitz) und Konrad (28.3.1901 Kitzingen – 19.3.1985 München)

Konrad Höllenreiner heiratete 1927 standesamtlich die Händlerin Alma „Notschga“, geb. Hanstein. Wenige Jahre später zogen sie mit ihren gemeinsamen Kindern Ludwig und Maria nach München, wo die Familie ein Fuhrunternehmen führte. Zwischen 1932 und 1938 wurden die Töchter Anna und Werna sowie der Sohn Johann Baptist geboren. Der Vater wurde 1941 zur Wehrmacht eingezogen, dann aber wie viele Sinti und Roma aufgrund seiner Herkunft aus dem Militär ausgeschlossen. Im März 1943 wurde die Familie und ein Großteil der Verwandtschaft verhaftet, ihr Besitz zugunsten des Staates eingezogen. Wenige Tage später wurden die Höllenreiner ins ‚Zigeunerlager‘ Auschwitz-Birkenau deportiert. Die Transportbedingungen sowie die Verhältnisse im Lager waren menschenunwürdig. Schon nach kurzer Zeit starb Alma Höllenreiner. Auch die älteste Tochter Maria kam im „Zigeunerlager“ ums Leben.

Im Sommer 1944 wurden Konrad Höllenreiner, die Söhne Ludwig und Johann Baptist sowie die Töchter Anna und Werna ins KZ Ravensbrück verschleppt und dort voneinander getrennt. Im KZ Ravensbrück führten SS-Ärzte an den Sinti und Roma Zwangssterilisationen durch. Tochter Anna starb vermutlich an den Folgen eines solchen Eingriffs. Kurz vor ihrem Tod wurde die gerade einmal 12-Jährige in das nahegelegene „Jugendschutzlager Uckermark“ gebracht, welches die SS ab Ende 1944 als Selektions- und Sterbelager nutze. Die beiden Jüngsten, Werna und Johann Baptist, wurden mit Verwandten im März 1945 über das KZ Mauthausen ins KZ Bergen-Belsen verschleppt. Der Vater und der älteste Sohn Ludwig Höllenreiner kamen ins KZ Sachsenhausen. Dort meldete sich Konrad Höllenreiner als Kriegsfreiwilliger, da ihm dadurch die Freiheit seiner Familie in Aussicht gestellt wurde. So kam er kurz vor Kriegsende zur SS-Sondereinheit Dirlewanger. Der Sohn Ludwig wurde im April 1945 während eines „Todesmarsches“ von alliierten Truppen befreit. Die 10-jährige Werna starb kurz nach der Befreiung in Bergen-Belsen an den Folgen der KZ-Haft.

Der Vater und die beiden Söhne lebten nach dem Krieg wieder in München. 1947 heiratete Konrad Höllenreiner die Artistin Betty Tine Adam. (Quelle NS Dokuzentrum)

Privatbesitz Familien Höllenreiner

Zum Beispiel Rosa Mettbach:

Mettbach, Rosa (19.6.1924 Wien – 5.11.2004 München)

Rosa Frost kam als jüngstes von acht Kindern einer religiösen katholischen Wiener Sintifamilie zur Welt. Ihr Vater, den sie bereits mit fünf Jahren verlor, war Musiker, die Mutter war als Marktfahrerin tätig. Mit der Ausdehnung des nationalsozialistischen Herrschaftsbereichs auf Österreich 1938 begann die Diskriminierung und Verfolgung der Familie. 1940 wurde sie mitsamt ihrer Familie festgenommen und in das „Zigeunerlager“ Lackenbach im Burgenland (Österreich) gebracht. Von dort wurde die Familie einige Monate später in das „Ghetto Litzmannstadt“ deportiert. Rosa Frost gelang es, während des Transports zu entkommen, ihre Mutter und ihre Geschwister wurden im Ghetto ermordet. Rosa Frost schlug sich nach München durch, wurde dort aber erneut verhaftet und wieder nach Lackenbach überstellt. Nach erneuter Flucht lebte sie illegal bei ihrem Freund und späteren Ehemann, Johann Mettbach, in München. Nach der Geburt ihres Sohnes wurde sie von der Polizei entdeckt, verhaftet und nach Auschwitz deportiert. Von dort kam sie in ein Außenlager des KZ Ravensbrück. Bei einem erneuten Fluchtversuch von dort wurde sie aufgegriffen und zurück ins KZ gebracht. Dort brach ihr eine SS-Aufseherin durch einen Schlag mit einer Eisenstange, der eigentlich auf ihren Kopf zielte, das Ellenbogengelenk. Seither konnte Rosa Frost ihren linken Arm nicht mehr benutzen. Beim Evakuierungstransport nach Dachau konnte sie wieder fliehen, das Kriegsende überlebte sie in einem Versteck. Nach Kriegsende konnte sie ihren Lebensgefährten Johann Mettbach heiraten. Ihre Versuche, nach 1945 eine Entschädigung zu erhalten, blieben lange erfolglos. Bis 1987 musste Rosa Mettbach für die Anerkennung als Verfolgte und für eine Wiedergutmachung kämpfen. (Quelle NS Dokuzentrum)

Foto: Privatbesitz Familie Mettbach

Der Völkermord and den Sinti & Roma in Bayern

„Der Völkermord an den Sinti und Roma war ein Projekt, das wesentliche Impulse aus der bayerischen Tradition der „Zigeunerbekämpfung“ erhielt. Die Münchner „Zigeunerexperten“ knüpften an eine schon in der Weimarer Republik rassistisch geprägte Praxis an und setzten sich an die Spitze der Institution, die parallel zur Gestapo an der „Abschaffung“ der zweitgrößten „rassisch“ definierten Minderheit im Reich arbeitete. Ihre im Mai 1938 von Heinrich Himmler erteilte Aufgabe, „die bei der Bekämpfung der Zigeunerplage gesammelten Erfahrungen und die durch die rassebiologischen Forschungen gewonnenen Erkenntnisse auszuwerten“ verfolgten die Kriminalbeamten mit aller Konsequenz bis in die letzten Kriegstage hinein – nicht wenige auch darüber hinaus.“ (Vgl. NS-Dokuz 2016, S 112)

(Privatbesitz Famile Hugo Höllenreiner)

1899-1933
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1933-1945
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1945-1963
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1965-1982
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